Heute um 14 Uhr ist die prestigeträchtigste aller Segelregatten gestartet: Das Nonstop-Solorennen Vendée Globe in Les Sables d’Olonne in der Bretagne. Mit dabei ist auch Boris Herrmann, der aus deutscher Sicht zusätzlich den Fokus auf das Rennen richten wird. Mit oder ohne deutsche Beteiligung ist es ein faszinierendes Rennen. Denn es geht durch fast alle Klimazonen der Erde und damit auch in Gebiete, die den Soloseglern und dem Material alles abverlangen werden. Auf dem Tracker von Boris Herrmann könnt ihr die aktuelle Postion der Segler verfolgen.
Da externes Routing nicht erlaubt ist, also Wetterprognosen aus der Ferne, müssen die Skipper nicht nur ihre Rennyacht beherrschen. Sie müssen sich mit dem Wetter und den Strömungen auseinandersetzen, um die beste Position zu erreichen.
Ich werde auf float in den kommenden Tagen und Wochen das Rennen meteorologisch begleiten und regelmäßig in kurzen Analysen und Prognosen zeigen, was bei den unterschiedlichen Abschnitten der Vendée Globe für die 33 Seglerinnen und Segler wichtig wird.

Der Start hat es strategisch in sich
Los geht es mit dem Start am Sonntag, und der wird es strategisch schon in sich haben. Denn schaut man sich das europäische Wetter an, findet sich derzeit ein recht kräftiges Hoch über Mitteleuropa. In der Höhe hat sich aber bereits am Donnerstag ein Höhentief, auch Kaltlufttropfen genannt, abgelöst. Und dieses Tief liegt nun vor der Küste Portugals. Es zieht langsam weiter nach Norden, und so bestimmt es das Windfeld und das Wetter in der Biskaya.

Mit diesem Tief müssen die Segler nun zurecht kommen. Da das Verhalten dieser Art von Tiefs in den Modellen nicht immer exakt vorherzusagen ist, müssen die Segler hier unbedingt immer die neuesten Wettermodelle nutzen. Eine punktgenaue Prognose ist meist erst 12 bis maximal 24 Stunden vorher möglich. Die Lage deutet aber an, dass die Flotte erst einmal mit Südwind lossegeln werden, der sich auf der Vorderseite des Tiefs einstellt.
Mit dem langsamen Abzug des Tiefs nach Norden beginnt der Wind dann leicht rechts auf Südwest zu drehen. Das bedeutet: Ein direkter Kurs zum Kap Finisterre ist erst einmal noch nicht möglich. Erst wenn sich am Montag ein Hochkeil vom Azorenhoch von Süden her zeigt, dreht der Wind am Ende des Keils weiter auf West. Dann wird ein Anlieger in Richtung Kanaren immer besser möglich.
Boris Herrmann fasste die Wetterlage vor dem Start so zusammen: „Das ist ganz sicher eine komplexe Wettersituation und wir werden einen Gang runterschalten müssen. Es wird spannend zu sehen sein, wie sehr die Flotte beisammenbleibt oder sich womöglich früh auseinanderzieht. Es ist sicher nicht der über Jahre immer wiederkehrende klassische Vendée-Globe-Start, sondern eher eine ungewöhnliche und anspruchsvolle Lage.
Die wird uns alles abverlangen, aber es wird nicht direkt durch die Wettersituation zu Ausfällen kommen. Beim letzten Mal waren es sieben Tage bis zum Äquator, dieses Mal sieht es nach zehn aus. Es wird ein spannender Start. Ich werde eher 15, 30 Sekunden nach dem Startschuss über die Linie gehen. Was ich auf keinen Fall will, ist ein Frühstart. Dafür gibt es eine fünfstündige Zeitstrafe. Man muss tatsächlich anhalten und fünf Stunden warten.“
Flaute droht vor Portugal
Allerdings wird der Hochdruckeinfluss zunehmen. Mit steigendem Druck nimmt der Druckgradient immer weiter ab und eine Schwachwindphase droht. Um überhaupt im Wind zu bleiben und weiter Fahrt zu machen, sollten die Segler versuchen, in die – auf das Hoch auflaufende – Kaltfront zu fahren. Diese Kaltfront wird dabei am Westrand des Hochs eingebremst. Sie sorgt aber auf der Vorderseite noch für ausreichend Südwestwind.

Sobald mit der Front der Wind auf der Rückseite auf Nordwest dreht, kann es unter raumen Bedingungen nach Süden gehen. Das hat – nach der Schwachwindphase unter der Küste Portugals – für die Seglerinnen und Segler den Vorteil, nicht länger auf der Vorderseite der Kaltfront im Südwestwind gegenan festzustecken.
Der Rückseitenwind wird jedoch auch nicht lange durchhalten. Denn das Azorenhoch wird sich erneut mit schwachem Wind zeigen, bis sich dann zum Donnerstag hin wieder ein entkoppeltes Tief vom Atlantik her zeigt.
Auch mit diesem Tief muss ähnlich „gearbeitet“ werden. Hier gilt es wieder, so schnell und so gut wie möglich auf die Rückseite des Tiefs in den nördlichen Wind zu kommen, um dann zügig die Passatwinde zu erreichen. Es ist also schon zu Beginn der ersten Woche der Vendée Globe eine große taktische Herausforderung für die Segler.

Was die Tiefs im Einzelnen machen, wann das erste Boot die Passate erreicht, wo sich die windreichste Passage durch die Doldrums, den äquatorialen Windstillengürtel, befindet und wie es auf den einzelnen Passagen um den Globus weitergeht, lest ihr in den nächsten Tagen und Wochen auf float.
Wer mehr über Segelwetter lernen will, kann bei Sebastian Wache am Online-Seminar teilnehmen, das am Donnerstag, den 12. November erneut startet. Mit float gibt es für dieses Seminar einen Sonderpreis mit dem Code float2020. 🙂
So entstand der „Everest der Meere“
Bis heute ist die Vendée Globe die größte Segelregatta rund um die Welt – solo, nonstop und ohne Unterstützung von außen. Das Rennen folgte auf das Golden Globe Race, das 1968 die erste Weltumsegelung dieser Art über die drei Kaps (Gute Hoffnung, Leeuwin und Horn) initiiert hatte.
Nur einem der neun Pioniere, die 1968 aufgebrochen waren, gelang die Rückkehr nach Falmouth. Der britische Segler Robin Knox-Johnston erreichte schließlich sein Ziel. 20 Jahre später stellte der Segler Philippe Jeantot die Idee einer neuen Weltumsegelung vor, aber nonstop! Die Vendée Globe war geboren. Am 26. November 1989 gingen 13 Segler an den Start der ersten Ausgabe, die sich über drei Monate erstreckte. Nur sieben kehrten nach Les Sables d’Olonne zurück.
167 Teilnehmer sind in den acht Auflagen beim „Everest der Meere“ inzwischen an den Start gegangen. Nur 89 von ihnen schafften es, die Ziellinie zu überqueren. Allein diese Zahl zeigt die extreme Schwierigkeit dieses Solorennens, bei dem die Solorennfahrer mit eisiger Kälte, gigantischen Wellen und schwerem Himmel konfrontiert werden, die den Großen Süden überziehen!
Die Vendée Globe ist in erster Linie eine Reise tief ins Innere eines jeden Seglers. Große Segler haben es bisher gewonnen: Titouan Lamazou 1990, Alain Gautier 1993, Christophe Auguin 1997, Vincent Riou 2005, François Gabart 2013 und Armel LeCléac’h 2017. Der Skipper aus dem Finistère wurde in 74 Tagen zum neuen Rekordhalter des Rennens.
Nur ein Segler hat die Vendée Globe zweimal gewonnen: Michel Desjoyeaux in den Jahren 2001 und 2009. Beim Rennen 2009 belegte die sechsfache Weltumseglerin Dee Caffari den sechsten Platz.